ZOSCH

Recycled paper, 7 x 5 x 3 m

Alte Feuerwache Loschwitz 2021

Die Alte Feuerwache ist von einer unbekannten Erscheinung heimgesucht worden, die sich an der Wand ausgebreitet und einen dynamischen Tentakel ausgebildet hat, der den Raum auf eine sehr eigene Weise erkundet. Dieses raumgreifende Gebilde, das der Besucher durchschreiten kann, stammt von Matthias Lehmann und besteht aus Papier.

Der Künstler befasst sich schon länger mit den stofflichen und statischen Eigenschaften des Alltags-Werkstoffs Papier, um dessen Grenzen auszuloten: Was ist mit diesem fragilen weißen Material machbar, wie weit kann man es durch Faltungen und Kombinationen verformen, wie tragfähig, wandelbar und lebendig ist es?

Ausgangspunkt seiner Skulpturen ist eine 3D-Software, in der er seine Ideen entwirft und modelliert. Dazu muss man wissen, dass alle virtuellen Objekte aus Polygonen bestehen – meist aus Dreiecken, die miteinander verbunden werden. 

Anfänglich liegen die Papierbögen plan übereinander. Doch schon mit der ersten Faltung eines Blattes greift das Papier sofort und unumkehrbar in den Raum ein: Es wird dreidimensional. Das Material verlangt dabei nach einem spezifischen Umgang, es behauptet seine Eigenheiten und seinen Eigensinn, denen Matthias Lehmann experimentell nachspürt und mit handwerklichen Lösungen begegnet. Die Realisierung weicht dabei immer von der virtuellen Welt ab: Die geometrische Perfektion verliert sich genauso wie die cleane Erscheinung. Gerade in dieser Nicht-Entsprechung steckt der spielerische, kreative Raum, in dem Abweichungen, Ungenauigkeiten und Fehler auftreten, kurz: in dem das Leben spielt, das sich bald verselbständigt, den Raum erobert und seinen Tentakel ausfährt. |


The Alte Feuerwache is haunted by an unknown apparition that has spread out on the wall and grown a dynamic tentacle that explores the space in a highly unique way. This expansive entity, which visitors can walk through, was created by Matthias Lehmann and is made of paper.

For some time now, the artist has been exploring the physical and static properties of paper as an everyday material in order to test its limits: What can be done with this fragile white material; how far can it be deformed through folds and combinations; how sustainable, changeable and alive is it?

The starting point for his sculptures is a 3D software in which he designs and models his ideas. All virtual objects consist of polygons – mainly interconnected triangles.

But as soon as a sheet is folded for the first time, the paper immediately and irreversibly intervenes in the space: it becomes three-dimensional. The material demands a specific handling; it asserts its peculiarities and its stubbornness, which Matthias Lehmann explores experimentally and encounters with handcrafted solutions. The realisation always deviates from the virtual world: geometric perfection is lost alongside the clean appearance. It is precisely this non-conformity that contains the playful, creative space in which deviations, inaccuracies and errors occur, in short: in which life is at play, soon becoming independent, conquering the space and extending its tentacle.


Text: Dr. Carolin Quermann



Die Arbeiten entstanden im Rahmen des durch die STIFTUNG KUNSTFONDS geförderten Arbeitsstipendium.

© Matthias Lehmann 2005-2023 | VG Bild-Kunst | imprint