Matthias Lehmann in der Galerie Brüderstraße, Görlitz
Eine Ausstellung im Rahmen der Veranstaltung Kulturhauptstadt Europas Wroclaw, "Görlitzer ART"
10.April-06.Juni.2017
Vernissage am 6.April, 2017 um 17:00 Uhr
Künstlergespräch mit Sabine Zimmermann-Törne
Der Begriff POTOP (Deutsch: Flut, Sintflut) spielt in der Ausstellung mit all seiner Vielschichtigkeit eine übergeordnete Rolle: Die Flut von Informationen, die Flut der Bilder, die Flut der Gedanken, die Flut von Wassermassen bei Naturkatastrophen, die Flut von Allem, was zu viel ist. Die Verdrängung von Raum, die Veränderung der körperlichen und geistigen Präsenz von vertrauten Dingen und die Entstehung neuer ungewohnter Körper, Formen und Gedanken, präsentiert sich durch verschiedene Bilder, Objekte und einer Rauminstallation, welche die Begrenztheit des Raumes in der Ausstellung zu überwinden versucht.
Wenn der Stadtraum von Wassermassen überschwemmt, der Galerieraum von weißen Buchstaben zugeschüttet oder der Bildraum durch eine Bilderflut ausgelöscht wird, verändert sich das gewohnte Erscheinungsbild der Dinge. Es entstehen Anordnungen, die neue formale und inhaltliche Zusammenhänge eröffnen und präsentieren. Dabei geht in der Vorstellung des Rezipienten der Grundzustand oder die Ausgangssituation nie verloren und bleibt gedanklich immer Bestandteil der vorgenommenen Veränderungen. Es entsteht eine Wechselbeziehung zwischen der in der Vorstellung unveränderten Anordnung und dem durch den Künstler vorgenommenen Eingriff.
Wenn sich Dinge und Ordnungen ändern, bedarf dies immer einer bestimmten Ursache. Meist sind wir mit transformierten Situationen konfrontiert, ohne deren genaue Ursachen zu kennen, weil wir beispielsweise zum Zeitpunkt der Veränderung nicht vor Ort waren. Wir kennen aber den kausalen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung und sind darauf programmiert, die passende Erklärung zu finden. Die entstehenden Gedankenkonstrukte entsprechen oft nicht der Wirklichkeit und beruhen auf einem subjektiven Erfahrungshorizont.
Dementsprechend befassen sich auch die neusten in der Ausstellung gezeigten Arbeiten mit der räumlichen Veranschaulichung fiktiv konstruierter Kausalitäten. Angelehnt an die Ästhetik und Symbolik von Comic-Zeichnungen wird hier der Augenblick, der zur Veränderung beitragenden Ursache, dreidimensional dargestellt. So werden Geräusche und damit einhergehende Bewegungen in Comics mit Hilfe von Schriftzügen verbildlicht, in denen ein Geräusch über eine Abfolge von Buchstaben vertont wird.
Die Onomatopoesie, die sprachliche Nachahmung von außersprachlichen Schallereignissen, stellt eine Verbindung zur zentralen Installation der Ausstellung mit dem Titel FLUT her, die mit ihrem den Galerieraum flutenden Buchstabenhaufen und der eher zufällig hingeworfenen Anordnung der einzelnen Lettern ähnlichen kausalen Zusammenhängen folgt.
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